Quarantäne Tagebuch

Seit Samstag Abend wurde offiziell eine Ausgangssperre in ganz Spanien verhängt. Das bedeutet, wir dürfen für mind. 15 Tage keinen Fuß mehr vor die Tür setzen, wenn es nicht dringend sein muss. Lediglich der Weg zur Arbeit, zum Arzt oder Apotheke oder zum Supermarkt sind noch genehmigt.

In diesem Beitrag möchte ich meine Gedanken zu meinen aktuellen Gefühlen festhalten und den Entwicklungsverlauf der nächsten 15 Tagen in Quarantäne beschreiben, wie ich den Tag gestalte und wie sich das Virus und die Gesamtsituation in Spanien weiter entwickelt.

Tag 1 – Sonntag, 15. März

Die Sonne scheint. Keine Menschenseele spaziert auf der sonst so belebten Straße Carrer Cavallers. Es herrscht eine eigenartige Stimmung momentan. Peter und ich verfolgen non stop Nachrichten auf sämtlichen Kanälen. Der Langeweile wegen backe ich derweil mein Lieblingsrezept – die weltbesten Zimtschnecken, die es quasi seit 3 Wochen 3 mal die Woche gibt.

Rezept auf https://www.einfachbacken.de

Meikel ist noch bis Morgen zu Besuch. Bis dahin wollten die beiden möglichst mit ihrem Projekt voranschreiten, aber so richtig wird das aktuell nichts. Keiner behält mehr einen klaren Kopf. Wer weiß, ob Meikel morgen überhaupt wieder in Deutschland einreisen kann oder ob er doch vorerst hier bleiben muss.

Wäre es klug, wenn wir gleich mitkämen? Bei mir ist es allerdings ungewiss, ob ich schon wieder nach den 15 Tagen Ausgangssperre arbeiten muss. Deshalb müsste ich grundsätzlich in Spanien verweilen. Einmal in Deutschland eingereist, gibt es so schnell keinen Weg mehr zurück.

Tag 2 – Montag, 16. März

Meikel ist soeben abgereist. Sein Flieger geht in einer Stunde zurück nach Frankfurt. In Deutschland wird aktuell darüber diskutiert, ob auch dort die Grenzen dicht gemacht werden sollen. Peter und ich diskutieren weiterhin, ob wir unsere Sachen packen sollten und mit dem Auto nach Deutschland fahren. Dort könnten wir dann die nächsten Wochen bei unseren Familien auscoronan. Die Frage ist nur, kommen wir dann auch wieder rechtzeitig zurück oder bleiben die Grenzen bis auf Weiteres geschlossen?

Ich packe den (der Langeweile wegen) nötig gewordenen Blu-Ray Player aus, den mir meine Eltern zum Geburtstag geschenkt haben, damit ich die Blu-Ray abspielen kann, die sie mir zum Geburtstag geschenkt haben. In Coronazeiten greift man zu besonderen Maßnahmen. Ansonsten hätte ich den Player vermutlich nie ausgepackt. Was soll’s.

Lasset den Serienmarathon beginnen!

Tag 3 – Dienstag, 17. März

Fahren wir oder fahren wir nicht?

Die Nachrichten überschlagen sich von Tag zu Tag mehr. Grenzen werden nun auch in Deutschland dicht gemacht. Nicht-EU-Bürger*innen dürfen nicht mehr nach Europa einreisen. Reisende werden mit Extraflügen in ihre Heimatländer zurückgeholt. Wir entscheiden uns am späten Mittag doch alle sieben Sachen zu packen und loszufahren. Letztlich ist nur das Nötigste wie PC, Laptop, Kleidung, Bücher und Verpflegung eingepackt. Los geht’s!

Erster Stopp: Girona

Wir kommen am Abend bis kurz vor die französische Grenze – nach Girona. Wegen der besonderen Umstände sind wir auf Mautstraßen ausgewichen. So konnten wir insgesamt über fünf Fahrtstunden einsparen. Die Straßen waren wie leer gefegt. In Spanien fahren fast nur noch LKW’s und der Berufsverkehr. Selbst in Barcelona war nicht viel los auf den Straßen.

Gegen 21 Uhr kommen wir im Hotel Costabella an. Hier treffen wir auf einen unglaublich freundlichen Hotelier, der sich problemlos in fünf verschiedenen Sprachen unterhalten kann. Das Hotel ist im Ausnahmezustand, so berichtet er. Er und sein Koch wären heute allein und wenn wir wollten würde der Koch extra noch ein Menü zusammenstellen und dafür den Herd anschmeißen. Welch ein grandioser Service!

Da wir unsere Speisevorräte lieber noch für den nächsten Tag horten wollen, nehmen wir das Angebot dankend an und speisen wie die Götter.

Tag 4 – Mittwoch, 18. März

Girona liegt nur etwa 40 Minuten von der französischen Grenze entfernt. Wir sind heute extra früh aufgestanden, damit wir möglichst zügig durch Frankreich durchkommen. Also haben wir um halb 8 alle Sachen geschnappt und sind los. Das Navi zeigte 8h51Min an bis nach Freiburg. Das ist super wenig. Normalerweise brauchen wir 11 Stunden, wenn wir Frankreich passieren. Naja wenn keine*r raus darf, gibt’s auch nur wenig Verkehr. Umso besser für uns!

An der Grenze angekommen, sah man auf der gegenüberliegenden Seite wie ein hohes Polizeiaufgebot an den Grenzen positioniert wurde und jede*r Einreisende angehalten und befragt wurde. Oha, das kann lustig werden.

Jetzt beschäftigte uns natürlich nur eins..

Schaffen wir’s oder schaffen wir’s nicht? Dürfen wir ansonsten einfach wieder umkehren oder werden wir rausgezogen?

Als die Gendarmerie unser Autokennzeichen schon von Weitem identifizierte, fragte sie uns am heruntergelassenen Fenster, ob wir nach Deschland wollten. Nach einem einfachen JA wurden wir direkt durchgewunken. Ja gut, so einfach kann’s gehen. Peter und ich waren leicht verwirrt, dass es so easy war, aber letztlich doch mega erleichtert, dass wir weiterfahren durften.

In Frankreich selbst lief es ähnlich wie in Spanien sehr ruhig ab. Wir legten auch insgesamt nur 2 Stopps ein, eine Pinkelpause und eine Tankpause. Das Navi zeigte an, dass wir schon gegen 16 Uhr in Freiburg ankommen sollten. Das machte Hoffnung, dass wir auch noch einige Kilometer in Deutschland zurücklegen könnten. Meikel hatte seine Festplatte bei uns liegen lassen, die könnten wir ihm dann zumindest noch in Frankfurt vorbeibringen.

Doch an der deutschen Grenze angekommen, war es doch alles nicht mehr so einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten. Sämtliche Grenzübergänge sind aktuell wegen der Grenzkontrollen geschlossen worden. Da dafür Personal abgestellt werden muss, wurden viele Übergänge dicht gemacht und noch einige wenige blieben offen. Hier sammelten sich dann auch die ganzen Einreisefreudigen, die schnellstmöglich noch nach Hause wollten.

Wir passierten dann in Breisach am Rhein die Grenze. Hier wurden wir zumindest nach unseren Ausweisen gefragt, aber auch das war nicht weiter wild. In den Nachrichten hieß es, man bräuchte einen triftigen Einreisegrund. Den hätten wir uns sonst noch spontan zurechtlegen müssen. Aber als Deutsche mit deutschen Kennzeichen hat man immer die Möglichkeit in sein Heimatland einzureisen.

Ein Gefühl von Freiheit liegt in der Luft. Erst der Ausbruch von zu Hause, dann die Fahrt im Auto und jetzt der Weg in die Heimat mit dem Wissen, dass die Auflagen hier noch nicht ganz so streng gehalten werden, wie in den Nachbarländern. Ich darf hier noch spazieren gehen oder mich im Garten austoben. Ich habe genügend Platz und Raum ohne dass mir die Decke auf den Kopf fällt.

Nächster Stopp: Obergeis

Nachdem wir, wie versprochen, nach Frankfurt gefahren sind, um Meikel die Festplatte rumzubringen, ging es für uns noch ein paar Meter weiter. Ich hatte schon mal vorausschauend bei booking.com nach einem Zimmer in der Nähe gesucht. Da es jetzt schon weit nach 16 Uhr war, weil sich unterwegs noch die Motorkontrollleuchte bemerkbar gemacht hatte, mussten wir erstmal eine Werkstatt anfahren und Kühlflüssigkeit nachtanken..

Gegen halb 11 checkten wir dann mit ein paar anfänglichen Schwierigkeiten im Hotel Boardinghouse in Obergeis (im tiefsten Hessen) ein. Das Besondere an diesem Hotel ist, dass hier kein Personal vor Ort sein muss. Alles läuft über einen Check-in Automaten vor der Tür. Über diesen Automaten bekommt man theoretisch ein Zimmer zugeteilt und einen Code für die Türen. Theoretisch.. bei uns hat der Automat halt aufgegeben und den Check-in verweigert.

Aber nachdem wir mehrfach telefonischen Kontakt zur Hotelleitung aufnahmen und die Hotelleitung merkte, dass scheinbar nicht wir die Dummen waren, die den Automaten nicht bedienen konnten, nahm sie alle Daten manuell auf und steckte uns den Code telefonisch (in Coronazeiten grundsätzlich eine gute Check-in Variante, wenn es funktionieren würde, so aber eher semi-geil, wenn man dafür ne halbe Stunde in der Kälte am Automaten rumwerkeln muss).

Tag 5 – Donnerstag, 19. März

Wir wurden allerdings mit einem super schönen Zimmer belohnt, was uns erst so richtig am nächsten Morgen auffiel. Denn jetzt bei Tageslicht hat sich auch der Ausblick vom französischen Balkon so richtig gelohnt.

Bis 10 Uhr mussten wir auschecken. Nachdem wir noch Proviant für unterwegs beim Dorfbäcker besorgt hatten, ging es auch schon direkt weiter Richtung Heimat.

Fazit: Hessen ist mega schön und definitiv nochmal eine Reise wert!
Hier könnte man durchaus mal ’ne Mopedtour machen.

Nächster Stopp: Hildesheim

Wir mussten einen kurzen Abstecher nach Hildesheim machen. Denn die Liegestütz-Challenge ruft und wo kann man besser Liegestütze machen, als bei seinem Liegestütz-Rivalen vor der Haustür?

1-2-3-4-5-6-7-8-9-10, mehr sind aktuell noch nicht drin.
Aber der Fitnessplan für die kommenden Wochen steht schon, keine Sorge!

Nächster Stopp: Hannover

Endlich daheim!

Ich wusste, dass mein Papa aktuell von zu Hause aus arbeitet. Deshalb steuerten wir direkt das Haus meiner Eltern an. Und da wartete auch schon der Rest der Sippe. Wir hatten unseren Besuch vorher ja nicht angekündigt. Als Papa die Tür öffnete schaute er uns an, als brächten wir die Post. Freude und Überraschung sehen anders aus. Dafür strahlte die Schwester mit Baby auf den Armen über beide Ohren und wollte uns auch gar nicht mehr weiterziehen lassen.

Endstation: Celle

Doch die Endhaltestelle für die nächsten Quarantänewochen ist das Quartier in Celle. Dort wohnen Peter’s Eltern, die bereits in unsere Pläne eingeweiht wurden. Hier finden wir Unterschlupf und genügend Auslauffläche für die kommende Zeit. Wer weiß, wann wir wieder zurück kommen. Aber hier lässt es sich auf jeden Fall aushalten.


Letztlich ist aus diesem Beitrag doch eher eine Fluchtbeschreibung, als ein Gefühls- und Entwicklungsverlauf der Quarantänezeit geworden. Aber es hat sich einfach anders entwickelt, als ursprünglich angedacht.

Im kommenden Beitrag werde ich ggf. nochmal auf die Quarantänezeit im neuen Zuhause zurückkommen.

Bis dahin, fühlt euch gedrückt und bleibt gesund!
#stayhome

Eine Antwort zu “Quarantäne Tagebuch”

  1. Vielen Dank für den wertvollen Post! Ausgezeichnet Blog.

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